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Ein Haifischbecken? Ich bin bestiimmt ein Risiko eingegangen

Lars Leuenbergerist neuer EHCO-Headcoach. Im Interview spricht der 46-Jährige überfordernde Trainer, den SC Bern, Vorurteile gegenüber Schweizer Coaches und über das fehlende Sieger-Gen in Olten.

Ein Haifischbecken? Ich bin bestiimmt ein Risiko eingegangen

Zurück an der Bande: Lars Leuenberger setzt sich beim EHC Olten grosse Zieele. Bild: Bruno Kissling

Lars Leuenberger, wer war für Sie als Spieler der härteste Trainer? Lars Leuenberger: (überlegt lange) Kent Ruhnke. Er war sehr detailbesessen. Ich habe bei ihm sehr hartes Brot gegessen, was mir aber gutgetan hat. Er war klar in seiner Linie, wusste, was er wollte. Ich hatte aber nie Coaches, die nur hart waren. Bryan Lefley war mein erster Coach, ein Top-Mann. Leider ist er viel zu früh verstorben.

Und sind Sie ein harter Coach?

Ich glaube, ja. Ich bin sicher sehr fordernd. Aber was bedeutet hart? Ist das bloss einer, der laut wird? Fordernd trifft es sicher besser. Das habe ich in den letzten Jahren auch so verfolgt und ich denke, das ist der richtige Weg.

Was fordern Sie denn?

Ich denke, es beginnt schon neben dem Eis. Was der Trainer vorgibt in den eineinhalb Stunden oder auch in der Stunde Eistraining plus ein bisschen Off-Ice-Übungen, das reicht heute für einen Athleten nicht mehr aus. Da muss sich jeder selber an der Nase nehmen. Zudem kann mit den heutigen Tools jeder Spieler am Tag nach dem Spiel seine Shifts abrufen und nachsehen. Das geht dann sehr schnell ins Selbstinteresse, sich selber weiterbringen zu wollen. Der Spieler soll sich selber analysieren können – das Gute und das Schlechte erkennen können. Ich sage den Spielern: Von 24 Stunden verbringe ich vielleicht drei Stunden mit ihnen – mehr ist das nicht. Da erwarte ich, dass sie am Morgen, wenn sie kommen, bereit sind. Das ist auch fordernd.

Sind die Spieler so selbstreflektiert, wie Sie es wünschen?

Nein, aber das trifft man selten an. Das muss jeder zuerst lernen. Man spricht ja immer von dieser DNA – und die versuchen wir nun hineinzubringen. Aber das braucht Zeit. Vergangene Woche kam ein Spieler zu mir und fragte, ob ich Zeit hätte, um mit ihm seine Shifts anzusehen. Meine Gegenfrage, ob er sie schon selber gesehen habe, verneinte er. Ich sagte ihm, er soll sie zuerst anschauen und morgen wieder zu mir kommen. Ich schaue sie gerne mit ihm an, aber ich will, dass er sich vorher selber analysiert. Ich finde es wichtig, dass man von sich selber eine Meinung hat. So kommt auch eine Diskussion zustande, das ist enorm wichtig. Ich sage sicher, wo es lang geht, aber es soll mit den Spielern sein. Sie dürfen deshalb auch eine andere Meinung haben, ich bin nicht allwissend.

Sie sind ein Teil des Teams.

Ich finde den Spruch in der Garderobe «strong alone, unstoppable together» (alleine stark, gemeinsam nicht zu stoppen) sehr passend, da gehöre ich auch dazu. Das Miteinander müssen wir lernen. Da gehören auch mal Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten dazu.

Ihre aktive Spielzeitliegt ein paar Jahre zurück. Heutzutage müssen die Spieler anders behandelt werden. Wo sehen Sie die grössten Unterschiede?

Sicher in der Kommunikation. Die neue Generation ist ja die Why?-Generation mit den hinterfragenden Charakterzügen. Sie macht nicht mehr bloss, was ihr gesagt wird, man muss es erklären, warum wir das tun. Deshalb suche ich diesen Dialog. Der Austausch ist sehr wichtig. Aber es ist auch eine Holschuld. Das war am Anfang noch etwas unklar. Wenn ich den Spielern eine Übung erklärte und alle nicken auf die Frage, ob sie verstanden wurde, und sie dann nicht funktioniert, zeigt mir das, dass sie nicht ehrlich waren und eigentlich hätten nachfragen müssen. Das Nachhaken ist ja auch überhaupt kein Problem. Ich zeige die Übung gerne ein zweites Mal. Dieser gemeinsame Austausch ist wichtig.

Hier in Olten arbeiten Sie nicht mit den absoluten Top-Cracks zusammen, wie etwa in Bern oder Biel. Mussten Sie in Ihrer Vorgehensweise etwas ändern? Das war ein ganz wichtiger Punkt für mich: Dass ich die Jungs zuerst neben dem Eis, die Menschen dahinter kennen lerne. Und jetzt, wo es losgeht, lernt man sie erst recht kennen. Man lernt nebst dem Menschen auch seine Qualitäten kennen und sieht schnell einmal, wenn er gestresst ist. Einige Sachen mussten wir ändern, weil es nicht funktioniert, und bei anderen Dingen wollen wir es unbedingt durchziehen, weil wir es beherrschen müssen. Es ist ein Bestandteil des Erfolgs.

«Wir sind sicher in einem Bereich, in dem wir die guten Mannschaften fordern können.»

Lars Leuenberger über das Potenzial in Olten

Waren Sie vom Niveauunterschied zwischen National und Swiss League überrascht? Sie konnten sich ja nicht darauf vorbereiten.

Es ist immer eine Frage der Erwartungshaltung. Die war bei mir sehr hoch. Der Fan kommt ja auch ins Stadion, um etwas zu erleben. Viele hätten nun in der Vorbereitung wohl erwartet, dass wir mehr Spiele gewinnen. Das ist auch in Ordnung so. Ich bin schliesslich nicht zum Plausch hier, ich bin hier, um etwas zu erreichen. Und ich glaube, ich weiss, wie es geht. Dieses Gen will ich den Jungs vermitteln: Wenn wir das und jenes gut tun, dann schaffen wir es auch, unsere Ziele zu erreichen.

Was unterscheidet die Ligen?

Der grosse Unterschied ist die Qualität. Ich habe mit den Spielern darüber gesprochen: «Ihr seid gleich stark, ihr seid etwa gleich gross, ihr habt das gleich grosse Herz, den gleich grossen Willen.» Der Unterschied liegt in der Qualität, wie etwas ausgeübt wird. Etwa die Passqualität. An solchen Dingen müssen wir arbeiten. Ich verlange, dass wir solche Dinge hinkriegen, und das geht auch nur, wenn am Montagmorgen jeder auf dem Eis parat ist. Ich musste aber auch gewisse Erwartungen zurückschrauben, das ist auch ganz normal, wir spielen in der Swiss League. 

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Lars Leuenberger gibt den Spielern Anweisungen. Bild: Schumacher/freshfocus

Der Grat zur Überforderung ist schnell ziemlich schmal.

Es ist wichtig, dass man sich als Trainer der Mannschaft adaptiert. Man kann nicht kommen und mit aller Kraft sein Ding durchziehen wollen. Wer ein guter Trainer sein will, muss auch im stande sein, einen Schrittretour zu gehen.

Ambitionen in Olten sind da, deshalb sind Sie auch gekommen. Aber die Konkurrenz ist mit Kloten und Visp sehr stark. Wie stufen Sie das Potenzial der Mannschaft ein?

Wir haben gegen Kloten einen super Match gezeigt. Wenn man die Analytics betrachtet – ich weiss, das sind nur Zahlen –, dann waren wir bei Fünf-gegen-fünf mehr als ebenbürtig. Nun haben sie uns im Powerplay geschlagen. Wir dürfen gegen solch gute Teams nicht so viele Strafen nehmen. Wir haben auch kein gutes Unterzahlspiel gezeigt, das ist klar. Aber ich denke, wir sind in einem Bereich, in dem wir die guten Mannschaften fordern können.

In Olten hechelt man seit 33 Jahren dem Erfolg hinterher. Es fehlt ein wenig das Sieger-Gen, was in Bern ja sehr ausgeprägt ist. Spüren Sie das?

Was früher war, weiss ich nicht und will ich auch nicht beurteilen. Was ich soweit erlebt und kennen gelernt habe, sind Leute, die sehr, sehr ehrgeizig sind. Vor allem auch neben dem Eis, vom Verwaltungsrat, von Sportchef Marc Grieder, von allen Leuten, die hier angestellt sind: Sie sind mit Herz und grosser Leidenschaft dabei. Wir sind dabei aber auch nicht blauäugig und gehen etwa mit dem Budget sehr vernünftig um. Wer im Sport Erfolg haben will, muss nun mal Geld investieren. Nun konnten wir mit Forgets Verpflichtung noch einmal einen Nagel einschlagen, das ist schön. Nun wollen wir dieses Sieger-Gen reinbringen, das ist ein Prozess, der Zeit braucht. Ich spüre viel Herz in dieser Mannschaft. In Sierre lagen wir im Rückstand und kamen zurück, auch in anderen Spielen zeigten wir grosses Herz. Nun müssen wir noch den gemeinsamen Weg finden, um das über die Saison hinweg etablieren zu können.

Der Wille ist also da.

Olten erlebe ich als sehr hockeyverrückte Stadt. Der Klub hat früher in der obersten Liga gespielt, die Leute würden gerne wieder dort sein. Und jetzt ist es unser Job, diesen Weg miteinander zu gehen, dass wir eines Tages vielleicht diesen Schritt gehen können. 
 

«Ich verstehe es nicht, warum die Klubs nicht einem Schweizer Trainer die Chance geben.»

Lars Leuenberger über das Trainer-Business

Was machen Sie, wenn die Realität und die Erwartungshaltung auseinander klaffen?

Ich blende das aus. Ich muss meinen Weg mit der Mannschaft gehen. Wir können nicht jede Person im Stadion zufriedenstellen, das ist ganz normal. Aber was wir steuern können ist, dass jeder von uns jeden Abend sein Bestes gibt, dann wird das auch von den Zuschauern honoriert. Wenn wir alles gegeben haben, sollen die Fans auch mal bei Niederlagen zufrieden nach Hause gehen können. Wenn wir das lernen, dann sind wir auf einem sehr guten Weg. Ich kann nicht beeinflussen, was Sie schreiben und die Fans denken, das muss an mir abprallen. Das ist sicher etwas, was ich in vergangenen Zeiten gelernt habe.

Stefan Schneider ist Ihr Assistent. Wie ergänzen Sie sich?

Wir kennen uns schon lange, wir sind gleich alt. Er ist ein Berner und er war damals schon in der ersten Mannschaft, als ich dazustiess. So haben wir uns schon als Spieler kennen gelernt. Unsere Wege haben sich wieder gekreuzt, als ich die Funktion des Coaches im Nachwuchs innehatte. Da war unser Austausch intensiv. Er ist ein sehr guter Ausbildner. Wichtig ist auch: Er war Verteidiger, ich Stürmer, da ergänzen wir uns sehr und er arbeitet sehr gut nach den Teamtrainings individuell mit den Spielern zusammen. Er bringt ein sehr gutes Päckli mit.

Ihr Amt als EHCO-Trainer ist – Biel mal ausgeklammert, weil Sie dort Stellvertreter waren – der erste grosse Trainer-Job ausserhalb der SCB-Organisation. Hat der Sprung raus aus dem sicheren Hafen grosse Überwindung gekostet?

Ich denke, es ist ein Prozess. Wenn man so lange bei einem Klub ist, wo man wunderschöne Jahre erlebte, wo ich sehr viel gelernt habe, da kommt irgendwann der Bruch. Ich spürte, dass ich nach drei Jahren im Büro wieder zurück an die Bande möchte, Bern hatte mir nicht die Option geboten, die ich gerne gehabt hätte, zumal ich ursprünglich als Assistent unterschrieben hatte. Und so kam die Chance in Biel und ich wusste, wenn ich wieder zurück möchte, dann muss ich sie packen.

Haben Sie demnach das Kapitel Bern endgültig abgeschlossen?

Es ist immer lustig, man macht eine grosse Sache aus dem SC Bern und Lars Leuenberger. Ja, es war eine schöne Zeit, ich habe es sehr genossen und bin den Leuten im Klub ewig dankbar, aber das Leben geht weiter. Es war Zeit geworden, aufzubrechen. Ich hatte in Bern im Büro einen schönen Job, vielleicht wäre ich noch lange dort gewesen, aber ich fühlte mich zu jung, ich habe zu viel Drive, nicht wieder zurück zu kehren. Ich wollte unbedingt dieses Gefühl an der Bande wieder erleben.

Sie sind Familienvater. Das Trainerbusiness ist ein grosses Haifischbecken.

Ich bin bestimmt ein Risiko eingegangen. Man braucht eine starke Frau zu Hause, die dich unterstützt – und das habe ich. Wir sagten uns: «Lass uns das tun, wir schaffen das irgendwie.»

Apropos Familie: Wie ist Ihr Austausch mit Bruder Sven?

Es gab ja in Bern viele Meinungen, die Leute wussten gar nicht, wie es zwischen uns funktioniert. Viele dachten, ja, ja, der Sven greift dem Lars schon unter die Arme und hilft – Vetternwirtschaft wurde uns vorgeworfen. Dabei war das überhaupt nicht so, unsere Zusammenarbeit war sehr professionell, wir waren manchmal fast zu kritisch miteinander, wir zofften uns regelmässig. Man braucht jemanden, dem man vertrauen kann und der Bruder ist da für dich. Aber es war für mich nie logisch, warum nicht zwei Brüder in einer Organisationtätig sein dürfen.

Und seit Ihr Bruder Sven Sportchef ist bei den ZSC Lions? Zoffen Sie sich noch immer?

Es gibt natürlich immer wieder verschiedene Meinungen. Es war sicher speziell, als er nach Zürich wechselte und ich in Bern arbeitete. Unsere Telefongespräche wurden kürzer, es wurde viel weniger über Eishockey gesprochen. Wir wussten: Ich darf ihm nichts erzählen und er mir nicht. Und wenn die Frage aufkam, wie das Wetter in Zürich oder Bern ist, dann wussten wir, dass wir das Gespräch beenden können (lacht).

Sie haben also keine gegenseitige Berater-Mandate?

Nein, überhaupt nicht. Klar diskutieren wir auch über Eishockey, er fragt mich, wie es bei mir läuft. Ich frage ihn, wie es ihm ergeht. Ich verstehe mich sehr gut mit ihm. Aber über Interna diskutieren wir nicht. Obwohl es manchmal schon erfrischend ist, von jemandem eine Meinung zu bekommen, der den Blick von aussen hat. Dann ist es oft am ehrlichsten.

Schweizer Trainer gibt es nicht sehr viele, es gibt viele Vorurteile gegenüber Schweizer Coaches. Macht Sie das wütend, wenn Sie sich doppelt beweisen müssen?

Ich habe sehr viel Anerkennung erhalten nach dem Meistertitel 2016 mit dem SC Bern – auch Jahre danach noch. Der SCB hat dann einen Trainer mit internationaler Erfahrung verpflichtet (Kari Jalonen, Anm. d. Red.). Heute, fünf Jahre später, verstehe ich das. Man darf nicht vergessen, dass ich schon meine Chancen bekam, aber es passte einfach nicht, auch Olten kam damals schon auf mich zu.

Sie bekamen auch Absagen.

In Biel und Lugano entschieden sie sich nicht für mich – ja, das ist hart, aber das gehört zum Business. Es gibt nur 13 Jobs in der obersten Liga. Aber vielleicht bekommt man als Schweizer schon etwas weniger Kredit als der Ausländer. Es liegt nun an mir, die Mannschaft dorthin zu führen, wo ich sie haben will. Für mich holt Luca Cereda das Maximum aus Ambriheraus, auch Christian Wohlwend mit Davos, er hatte unglaubliches Pech, dass die Playoffs abgesagt wurden. Letztes Jahr hatte er gleich viel Pech wie ich in Biel mit dem Verlauf der Pre-Playoffs. Vielleicht braucht es das eine Erfolgserlebnis mehr, aber auch das Vertrauen der Klubführungen. Ich verstehe es nicht, warum ein Swiss-League-Klub nicht einem Schweizer die Chance gibt. Oder auch die National-League-Klubs,warum nicht den U20-Trainer als Assistent einsetzen? Das würde dem Schweizer Eishockey helfen. Marcel Kuchta und Silvan Hartmann

Zur Person

Lars Leuenberger, heute 46 Jahre alt, wuchs in Uzwil im Kanton St. Gallen auf. Als 19-Jähriger wechselte er zum SC Bern und absolvierte in 12 Jahren Profihockey in der National League für Bern, Fribourg, Basel und Ambri insgesamt 489 Spiele. 1997 wurde er als Stürmer mit dem SCB Schweizer Meister. Nach seiner Aktivkarriere setzte er 2006 auf das Trainerbusiness bei den Junioren und wurde 2016 nach der Entlassung von Guy Boucher als Interims-Headcoach mit dem SCB Meister. Es verhalf ihm nicht zum Durchbruch, weshalb er Scouting-Manager wurde. In der vergangenen Saison übernahm er beim EHC Biel die Stellvertretung von Headcoach Antti Törmänen. Lars Leuenberger ist mit SRF-Moderatorin Nicole Berchtold verheiratet, sie haben zwei Kinder, Luis (9) und Milo (7), und wohnen in der Nähe von Bern.

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