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Spitex im Kontext von Multikulti

Spitex: Pflegekräfte mit Migrationshintergrund sind gefragt. Mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen bieten sie eine grosse Chance, um der heterogenen Bevölkerung auch in der Pflege gerecht zu werden.

Spitex im Kontext von Multikulti

Wenn Klient und Mitarbeiter der Spitex die gleiche Sprache sprechen, kann sichergestellt werden, dass der Klient die Informationen auch richtig versteht. Bild: Spitex Schweiz/Pia Neuenschwander

Erwartungsvoll sitzt Acacio in seinem Wohnzimmer. Er hat ein Hemd angezogen und sich – soweit die Schmerzen es zulassen – zurechtgemacht. Das Zuknöpfen des Hemdes war nicht leicht. Doch heute besucht ihn das erste Mal eine Fachfrau von der Spitex. Seine Tochter hat das organisiert. Sie ist für den Job mit ihrer Familie in eine andere Stadt gezogen und kann sich nicht mehr regelmässig um ihren Vater kümmern. Seine Frau hat der 89-Jährige vor zwei Jahren verloren. Acacio ist ein wenig nervös, was da mit der Spitex auf ihn zukommt. Als Gastarbeiter in den 60ern ins Land gekommen, hat er schnell Anschluss gefunden, v. a. an andere Italiener, aber nie richtig Deutsch gelernt. Es ist ihm unangenehm, dass sich jetzt eine fremde Frau um ihn kümmern muss. In Italien kümmert sich normalerweise die Familie um kranke oder unterstützungsbedürftige Familienmitglieder. In ein Heim möchte spätestens seit der Pandemie keiner mehr. Es klingelt. Der junge Mann von der Spitex begrüsst ihn freundlich – auf Italienisch. Acacio ist erleichtert und froh. Der gelernte Fachmann Gesundheit EFZ erklärt ihm, wie die Spitex ihn in Zukunft unterstützen wird, und beantwortet geduldig seine Fragen.  

Migrationshintergrund als Qualifikation

«Wann immer es möglich ist, setzen wir unsere Mitarbeitenden so ein, dass es sprachlich passt», so Sandra Richner, Pflegedienstleiterin der privaten Spitex Vitassist. «Glücklicherweise haben wir eine wachsende Vielfalt an Sprachen im Team. Diese wachsende Heterogenität der verschiedenen Spitex-Organisationen kennt auch Francesca Heiniger, Leiterin Kommunikation bei Spitex Schweiz. «Viele Spitex-Organisationen beschäftigen Migrantinnen und Migranten. Dies ist wichtig, damit der kulturellen Vielfalt der Klientinnen und Klienten Rechnung getragen werden kann.» Bei Bewerbungen sind daher Sprachkenntnisse bzw. Migrationshintergründe von zunehmender Wichtigkeit. Mitarbeitende mit Migrationshintergrund sollen nicht nur bewusst eingesetzt werden, sondern gezielt eingestellt. Darauf achtet auch Sandra Richner. «Wir erachten einen sprachlichen oder kulturellen Hintergrund bei der Rekrutierung als wertvolle Zusatzeigenschaft. So werden auch wir gleichzeitig sensibilisiert und lernen viel über andere Länder und Kulturen.» Eine Win-win-Situation also. Die Sprache ist dabei eine wichtige Schlüsselkompetenz, weiss Francesca Heiniger: «Wir sind bestrebt, sprachliche und kulturelle Lücken zu schliessen und Brücken zu bauen. Dies ist auch aus rechtlichen Gründen nötig. Wir haben eine Informationspflicht und müssen sicherstellen, dass die Klienten unsere Informationen auch richtig verstehen.

Das Gesundheitssystem hat Aufholbedarf, wenn es um das Thema Diversity geht, zumal das Problem seit mehr als 20 Jahren bekannt ist und transkulturelle Konflikte zunehmen. Diversity – der bewusste Umgang mit Vielfalt in einer Gesellschaft – muss daher konsequent durchgesetzt werden, die Vielfalt als Selbstverständlichkeit angenommen werden. Nur so lässt sich die heterogene Schweiz in jedem Bereich abbilden.

«Wann immer es möglich ist, setzen wir unsere Mitarbeitenden so ein, dass es sprachlich passt.»

Sandra Richner, Pflegedienstleiterin, private Spitex Vitassist

In der Wirtschaft funktioniert das bereits gut. Und um das auch im Pflegebereich dem Bedarf anzupassen und Versäumnisse aufzuholen, wird viel unternommen. Der Spitex Verband Aargau (SVAG) hat einen interaktiven Leitfaden erstellt, mit dem sich Spitex-Organisationen noch mehr und noch besser für kulturelle Vielfalt öffnen können. Der Leitfaden ist ein wichtiger Schritt in der Implementierung des Problems. Um an die Praxis anzuknüpfen, bieten Institutionen wie das SRK oder das Heks zusätzlich Schulungen und Weiterbildungen zu verschiedenen Themen rund um Diversity an. «Das fortlaufende Lernen z. B. in Form von konkreten Fallbesprechungen ist dabei ebenso wichtig wie punktuelle Weiterbildungen, z. B. zum Thema Religionen oder der Umgang mit dem Tod», so Francesca Heiniger.

Selbstreflexion trainieren

Ziel ist es zudem, dass Pflegefachpersonen – seien es Fachfrauen/Fachmänner Gesundheit EFZ, dipl. Pflegefachpersonen HF oder dipl. Pflegefachpersonen FH – zu Selbstreflexion fähig sind. Sie müssen sich also permanent fragen können, wieso sie das Verhalten oder Denken einer Person für störend oder falsch halten. Nur wenn Stereotype hinterfragt werden, Hintergrundwissen und Erfahrungen gesammelt werden, kann man transkulturelle Kompetenz erwerben. «Auch Pflegefachpersonen haben im Laufe ihrer Sozialisation verschiedene Bilder und Vorurteile entwickelt. Nur wenn sie diese Bilder hinterfragen, können sie sich auf all ihre Klientinnen und Klienten einlassen», so Francesca Heiniger.Selbstreflexion in Verbindung mit Hintergrundwissen und Erfahrung führen letztendlich zu gewünschter transkultureller Kompetenz. Daher werden die Aspekte kultureller Vielfalt in Zukunft bereits während der Ausbildung vermehrt thematisiert. «Das ist ein grosses Anliegen der Spitex, die an der Ausgestaltung der Bildungssystematik an vorderster Front eingebunden ist und Einfluss auf die Rahmenlehrpläne nehmen kann», so Heiniger. «Spitex Schweiz ist im Vorstand von OdaSanté vertreten und steht sowohl mit den Bildungsanbietern der höheren Fachschulen, den Fachhochschulen und den Universitäten in regem Austausch.» Dominique Simonnot

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