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Fakten zum Klimawandel oder warum wir uns gern selbst belügen

Fakten zum Klimawandel oder warum wir uns gern selbst belügen

Praktisch alle Wissenschafter und Fachleute sind sich sicher: Der Klimawandel ist menschengemacht

Immer wieder werden Stimmen laut, die den menschengemachten Klimawandel in Frage stellen. Klimaforscher Reto Knutti klärt auf und gewährt einen Blick hinter die «Scheindebatte».

«Darüber, dass es den Klimawandel gibt, besteht Einigkeit. Dass der Mensch die dominante Ursache der Erwärmung ist, dazu herrscht in der Wissenschaft eine 95-prozentige Sicherheit», so Reto Knutti. Unter den tatsächlichen Experten, die die wissenschaftlichen Grundlagen von langjährigen Klimaprozessen verstehen, gibt es kaum eine Debatte über die Tatsache der Erderwärmung und den Faktor Mensch als primäre Ursache. Die Problematik ist viel mehr, dass die Erkenntnisse aus der Klimaforschung oft sehr komplex sind und Fachwissen erfordern. «Das nutzen Interessengruppen für ihre Ziele. Sie konstruieren eine ‹Scheindebatte› und verbreiten Missinformationen. Damit säen sie Zweifel und verfestigen die Skepsis gegenüber dem menschengemachten Klimawandel. In diesem Sinne müssen wir uns die Frage stellen, wie wir Experten die Tatsache vom menschengemachten Klimawandel wirksam an Politiker und die Allgemeinheit vermitteln können.» Eine Herausforderung mit ihren Tücken, wie die Forschung zeigt: Was Menschen für Tatsachen halten, ist subjektiv, und oft werden Informationen für wahr gehalten, die die vorher gefestigte Meinung bestätigen.

Der heutige Klimawandel ist nicht vergleichbar mit früheren Klimaveränderungen

«Ja, das Klima ist keine Konstante und hat sich schon immer verändert, so auch jetzt. Allerdings unterscheidet sich die Ursache des heutigen Klimawandels klar von den Ursachen früherer Klimaveränderungen», erläutert Reto Knutti. Der Erforschung vergangener klimatischer Bedingungen widmet sich der Berner Umweltphysiker Thomas Stocker. Dank antarktischen Eisbohrkernen und der darin eingeschlossenen Luftbläschen lassen sich Temperatur und CO2-Gehalt der Atmosphäre über Jahrtausende zurückverfolgen. Seine Erkenntnisse sind, dass die CO2-Konzentration heute über 29 Prozent höher ist als je zuvor in den letzten 800 000 Jahren und dass abrupte Klimaschwankungen in der Vergangenheit natürlicher Art waren. So führt eine Studie von Thomas Stocker aus dem Jahr 2009 den Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre während der Spätsteinzeit zum grossen Teil auf Reaktionen in den Ozeanen zurück. «Daraus jedoch abzuleiten, dass es keine menschenbedingten Klimaänderungen gibt, ist etwa so, als würde man behaupten, Corona sei kein Problem, weil es auch schon früher Grippewellen gab», argumentiert der ETH-Professor.

Nur menschengemachte Emissionen von Treibhausgasen können den derzeitigen Klimawandel erklären

«Die Menschen sind pro Jahr für mehr als 35 Milliarden Tonnen fossiles CO2 verantwortlich», rechnet Reto Knutti vor. Skeptiker des menschengemachten Klimawandels argumentieren, dass diese CO2-Emissionen im Vergleich zu dem von der Natur freigesetzten Kohlendioxid winzig seien. «Stimmt», so der Klimaforscher. «In der Summe werden jedes Jahr von den Ozeanen und der Landoberfläche rund 750 Milliarden Tonnen Kohlendioxid freigesetzt, dank einem natürlichen Kohlenstoffkreislauf jedoch auch wieder aufgenommen. Damit ändert das Netto in der Atmosphäre nichts.» Reto Knutti erklärt das natürliche Gleichgewicht am Beispiel einer Kartoffel: «Wenn die Pflanze wächst, nimmt sie CO2 auf. Wenn sie verfault oder wenn wir sie essen und dann ausatmen, dann geben wir das CO2 wieder ab. Der Kreislauf ist geschlossen.» Die Problematik ist, dass die menschengemachten CO2-Emissionen – das, was zusätzlich von Öl, Gas und Kohle in die Atmosphäre ausgestossen wird – das fragile Gleichgewicht des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs stören und damit den Klimawandel verursachen.

Der menschengemachte Klimawandel verläuft viel zu schnell, als dass sich Natur, Tier und Mensch daran anpassen könnten

«Das Problem der aktuellen Klimaveränderung ist die Geschwindigkeit, mit der sie vonstattengeht», sagt der Klimaforscher. Weil sich die Erde so rasant erwärmt, werden sich Flora und Fauna kaum auf die übliche Weise anpassen können. So verschieben sich die optimalen Lebensräume viel schneller polwärts, als dass viele Tiere und Pflanzen wandern können. Forschungen zeigen auf, dass sich Arten bis Ende dieses Jahrhunderts mehrere tausendmal schneller anpassen müssten, als sie es in der bisherigen Erdgeschichte taten, um mit dem zu erwartenden Tempo der Erderwärmung Schritt halten zu können. «Doch nicht nur die Natur wird ihre Schwierigkeiten haben. Auch wir Menschen müssen unsere Lebensgrundlagen anpassen.» Wenn der Meeresspiegel weiter steigt, werden viele Millionen Menschen ihre Heimat in den Küstenregionen verlassen müssen. Hier in der Schweiz kann die Landwirtschaft immer weniger auf ein stabiles Klima zählen: Zunehmende Durchschnittstemperaturen, lange Trockenperioden, extremere Niederschläge und milde Winter wirken sich negativ auf bestimmte Kulturen wie Winterweizen und Kartoffeln aus, ebenso steigt der Schädlingsdruck.

Bei einem ungebremsten Klimawandel werden die ökologischen und die ökonomischen Folgen immens sein

«Hitzeperioden, trockene Sommer, starke Niederschläge, milde Winter mit wenig Schnee, Gletscherschmelze und der Permafrost, der taut: Der Klimawandel ist heute bereits spürbar – Tag für Tag», sagt der ETH-Professor für Klimaphysik. Dies hat weit reichende Folgen für Mensch und Umwelt. Ernteeinbussen bei der Landwirtschaft, erhöhte Waldbrandgefahr, der Lebensraum von Tieren und Pflanzen ändert sich, die Ozeane versauern usw. Reto Knutti blickt pessimistisch in die Zukunft: «Sofern sich nichts ändert, werden die Folgen gravierend sein.» Und: «Wir werden überrascht sein, was noch alles kommen wird.» Nicht nur auf ökologischer Seite sind die Zukunftsprognosen düster: Allein die Schweiz kosten Naturereignisse wie Hochwasser und Waldbrände laut Bundesamt für Umwelt (BAFU) bereits heute 840 Millionen Franken im Jahr. Bis 2060 könnten diese Kosten gemäss einer Studie der EPFL Lausanne um den Schweizer Umweltökonomen Philippe Thalmann auf jährlich 8 bis 10 Milliarden Franken steigen, bedingt durch Ausfälle in der Landwirtschaft und im Tourismus, höhere Versicherungsprämien und höhere Energiepreise. Lea Marti
      

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